Heute habe ich etwas Neues entdeckt, und das sogar ganz in der Nähe. Bei uns in Deutschland gibt es ja nur Kippen, Kaugummi, Knabberzeug und Kondome in Automaten. Hier in Shanghai gibt es sogar Bücher in Automaten, und es ist wirklich schade, dass die nicht auch noch mit „K“ anfangen, also vielleicht „Kunstvolle Sprache“.
Diese Neuentdeckung ist zunächst einmal doof für meine Nichte, die in Deutschland zur Zeit Angestellte in einer öffentlichen Bücherei ist. Die wäre jetzt arbeitslos, aber der Fortschritt zwingt der Gesellschaft auch ihre Opfer auf.
Trotzdem ist der Buchomat was Tolles. Die älteren unter uns können sich wohl noch die Jukeboxes in den Kneipen vorstellen, eine große Kiste mit Glas und einer Tastenreihe sowie einem Schlitz. Wer Musik hören wollte, steckte eine Münze in den Schlitz, drückte die Taste mit dem Wunschtitel und konnte dann hinter dem Glas beobachten, wie ein Metallarm sich eine Schallplatte auf einer Art Musikkarussell griff, auf den Plattenteller legte und los ging’s.
Ziemlich genauso funktioniert auch der Buchomat, mit wenigen Unterschieden. Zunächst einmal gibt es keinen Greifarm für Schallplatten. Vor allem aber gibt es keinen Schlitz für Münzen, denn jeder, der sich ein Buch ziehen will, muss sich vorher in dem dahinter liegenden Gebäude der Liujiazui Stadtviertel-Bücherei anmelden. Und hier liegt auch der Vorteil für meine Nichte, denn dazu braucht es weiterhin Personal, noch mal Glück gehabt.
Wer sich angemeldet hat, bekommt einen Zugangscode, und mit diesem geht es dann zum Tastenfeld, über dem sich ein Bildschirm befindet. Dort kann der Lesewillige erkennen, welche Bücher sich im Buchomaten befinden. Oder er liest sich schlicht die Titel der hinter Glas aufrecht stehenden Bücher durch. Dann werden ein paar Tasten gedrückt und das Bücherkarussell hinter der sehr großen Scheibe dreht sich. Einige Augenblicke verrät ein Zisch und ein leises Bong, dass das Buch durch den Ausgabeschacht – und an die metallene Schutzplatte gerauscht ist. Dann Klappe auf und viel Spaß beim Lesen.
Soll noch einer sagen, die Chinesen seien a) nicht innovativ b) unbelesen c) nicht nachtaktiv. Denn genau dafür ist der Buchomat ja da, dass man jederzeit sich etwas Neues zum Lesen holen kann. Welch eine Geschäftsidee für die Tankstellen in Deutschland. Ich freue mich schon jetzt auf den Dialog an der Nachbarkasse: „20 Liter Diesel an der Nummer Fünf, einmal den James Joyce und noch ein Sixpack, bitte!“
Bild: Voilá, der Buchomat. Das im Foto angeschnittene Gebäude rechts dahinter ist die Stadtteilsbücherei.